19 Kritische Überprüfung der Medikamentenliste bei Spitalaustritt notwendig, aber nicht hinreichend
Beim Spitalaustritt werden wichtige Weichen gestellt, die über Gesundheit und Wohlbefinden der Patienten/-innen entscheiden. Um klare Effekte hinsichtlich vermeidbaren Komplikationen und verfrühten Wiedereintritten zu erzielen, braucht es nebst der kritischen Überprüfung der Medikation gemeinsam mit Patienten/-innen und Hausärzten/-innen weitergehende Massnahmen.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
21 Deutschschweizer Spitäler nahmen an der Studie teil. Um die Spitalärzte/-innen für die Anwendung der angepassten Checklisten und Austrittsdokumenten zu befähigen, wurde ein Weiterbildungsmodul entwickelt und an zwölf zufällig ausgewählten Spitälern eingesetzt. Die übrigen neun Spitäler dienten als Vergleichsgruppe. Die Wirkung der Weiterbildung wurde während 20 Monaten mittels einer kontrollierten Studie überprüft. Daten der beteiligten Ärzte/-innen sowie 600 Patienten/-innen zur Zeitdauer zwischen Spitalaustritt und Wiedereintritt, zur Zahl der Arztbesuche und Notfallstationsbesuche, zur Zahl und Art der verschriebenen Medikamente, zur Lebensqualität der Patienten/-innen sowie zu Aspekten der Kommunikation und der Abläufe wurden bei Austritt sowie nach einem, drei und sechs Monaten erhoben und mit entsprechenden Daten der Kontrollgruppe verglichen.
Hintergrund / Ausgangslage
Während Spitalaufenthalten werden Medikamentenlisten oft länger. Die Verschreibung ungeeigneter und/oder zu vieler verschiedener Medikamente wirkt sich negativ aus auf die Gesundheit der Patienten/-innen, die Hospitalisierungsraten und die Gesundheitskosten aus. Bei der Spitalentlassung braucht es deshalb eine kritische Überprüfung der Medikamentenliste. Unnötige oder ungeeignete Medikamente sollen in Absprache mit Patienten/-innen und Hausärzten/-innen abgesetzt werden.
Ziele
Ziel der Studie war es, aufzuzeigen, dass eine systematische Überprüfung und Optimierung der Medikation bei Spitalaustritt – verbunden mit einer gezielten Kommunikation zwischen Spital und Hausarztpraxis – zu weniger Wiedereintritten und besserer Gesundheit der Patienten/-innen führt. Zudem sollten die Machbarkeit und Akzeptanz des Ansatzes sowie seine Auswirkungen auf die Gesundheitskosten untersucht werden.
Resultate
Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz und Machbarkeit des verwendeten Verfahrens bei allen Beteiligten mehrheitlich positiv war. Es zeigten sich jedoch keine signifikanten Effekte des Verfahrens hinsichtlich der Spitalwiedereintritte, der Todesfälle, der Notfallstationsbesuche oder anderer Arztkontakte. Im Schnitt wurden den Patienten/-innen beider Gruppen rund zehn Austrittsmedikamente verschrieben. Zudem mussten sechs (Interventionsgruppe) respektive sieben Prozent der Patienten/-innen (Vergleichsgruppe) innerhalb von 30 Tagen erneut hospitalisiert werden. Diese Wiedereintrittsraten sind zwei- bis dreimal tiefer als entsprechende internationale Werte, was auf eine hohe Qualität des generellen Austrittsmanagements an Schweizer Spitälern hinweist. Um deutlichere Effekte zu erzielen, benötigte es vermutlich umfassendere Interventionen mit Einbezug eines Patientencoachings nach Spitalaustritt.
Bedeutung / Anwendung
Die Studie liefert Grundlagen für eine optimierte Medikation und Kommunikation bei Spitalaustritt. Die systematische Überprüfung der Medikamentenliste ist eine wenig aufwendige und gut akzeptierte Massnahme, die in der ambulanten Betreuung wirksam ist. An der Schnittstelle "Spitalaustritt" konnte ihre Wirksamkeit hinsichtlich vermeidbarer Komplikationen mit verfrühtem Wiedereintritt jedoch nicht belegt werden. Weitere Forschung muss klären, wie umfassend und "verpflichtend" solche Massnahmen ausgestaltet sein müssen, damit sie im Routinebetrieb noch umgesetzt werden können und gleichzeitig einen positiven Effekt auf die die Gesundheit der Patienten/-innen haben.
Originaltitel
Improving inappropriate medication and information transfer at hospital discharge. A cluster-randomized controlled trial